Es ist sechs Uhr morgens. Während andere noch schlafen, ist Chase Beisel schon hellwach. Der Morgen steht für den HIRI-Abteilungsleiter ganz im Zeichen der Familie. Nachdem der Familienvater gemeinsam mit seiner Frau seine drei Töchter für die Schule vorbereitet hat, schwingt er sich gegen Viertel nach Sieben auf sein Rad. Es geht zum Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) auf dem Medizin-Campus Würzburg.
Seit Anfang 2018 leitet der US-Amerikaner dort die Forschungsgruppe „Synthetische RNA-Biologie“. Dafür hat er die Metropolregion Raleigh in North Carolina, USA, gegen das beschauliche Franken getauscht. Eine gute Entscheidung, wie er findet: „Würzburg mit dem Main und seinen Sehenswürdigkeiten ist großartig. Obwohl die Stadt nicht die größte ist, ist sie ein prominenter Ort auf der Landkarte mit viel Tourismus. Wir genießen die Vorzüge einer Großstadt, ohne von vielen Menschen umgeben zu sein“, beschreibt er seine Wahlheimat. „Und Würzburg ist gut angebunden. Eineinhalb Stunden Zugfahrt, und schon kann ich fast überall hinfliegen“ – ein großer Vorzug für den international ausgewiesenen Wissenschaftler.
„CRISPR ist wie Science-Fiction, die plötzlich Realität geworden ist.“
Chase Beisel
© HIRI, Sandy Westermann (SCIGRAPHIX)
Im HIRI angekommen, verschlägt es ihn zunächst an seinen Schreibtisch, wo er fast seinen ganzen Arbeitstag verbringt. „Ob Gespräche mit Studierenden, Kooperationspartnern oder eigene Präsentationen: Über den ganzen Tag verstreut habe ich viele Online-Meetings und sitze einige Zeit vor dem Bildschirm“, erklärt der Wissenschaftler. Ansonsten füllen Treffen in Präsenz die Lücken des bereits sehr vollen Terminkalenders. Beisel schätzt den engen Austausch und die kurzen Wege am Institut: „Ich forsche lieber im Team als alleine. Das HIRI bietet dafür wahrscheinlich das beste Umfeld, das ich mir vorstellen kann.“ Zwischen den Meetings stattet Beisel seiner Arbeitsgruppe im Labor einen Besuch ab. In seiner Forschung hat sich der Chemieingenieur der Genschere CRISPR verschrieben. „CRISPR ist wie Science-Fiction, die plötzlich Realität geworden ist. Dabei wurde CRISPR nicht in einem Labor entwickelt, sondern in der Natur entdeckt. CRISPR-Cas ist ein Immunsystem von Bakterien. Allein die Art und Weise, wie sich das System Infektionen merkt und Erreger wiedererkennt, ist faszinierend“, schwärmt er von CRISPR-Cas, dessen funktionelle Vielfalt er am HIRI erforscht. Das Ziel: neue Technologien zur Diagnose und Behandlung von Infektionen entwickeln. Eine dieser Technologien ist LEOPARD. Das CRISPR-basierte Verfahren kann mehrere krankheitsbezogene Merkmale in nur einem Test nachweisen – anders als etwa der PCR-Test, der sich auf ein einziges beschränkt. „Die Chancen stehen gut, dass CRISPR zum Beispiel irgendwann PCR-Tests ablösen wird, denn es ist genauer und schneller“, so der Gruppenleiter.
Doch eine Forscherkarriere hatte Beisel nicht immer vor Augen: „Architekt, Künstler, Musiker – ich hatte viel in Betracht gezogen. Dass ich in der Forschung lande, war unerwartet, aber das Beste, was mir passieren konnte.“ Sein künstlerisches Talent lebt Beisel weiterhin aus: nämlich beim Erstellen von Illustrationen für wissenschaftliche Publikationen.
Nach seinem Arbeitstag am HIRI steigt Beisel wieder auf das Rad. Ein weiterer Vorteil, den Würzburg bietet. „Ich konnte seit meiner Postdoc-Zeit nicht mehr mit dem Rad zur Arbeit pendeln“, bemerkt er. Zuhause stehen dann oft schon die nächsten Meetings an – denn wegen der Zeitverschiebung beginnt der Tag jenseits des Atlantiks gerade erst.