Würzburg, 8. März 2023 – RNA-Sequenzierungstechnologien liefern wertvolle Einblicke in die Arbeitsweise einzelner Zellen. Ein Forschungsteam der Universität Würzburg hat jetzt eine Technik entwickelt, die den Blick noch detailreicher macht.
Wie arbeiten Zellen im Normalzustand? Wie verändern sie sich, wenn sie Krankheiten auslösen? Reagieren sie wie gewünscht auf neue Medikamente? Wer im Labor Antworten auf diese – und weitere damit zusammenhängende Fragen – sucht, kommt heutzutage kaum mehr um eine spezielle Technik herum: die Einzelzell-RNA-Sequenzierung, kurz „scRNA-seq“. Diese Technik liefert ein genaues Abbild der Genexpression in einer einzelnen Zelle zu einem bestimmten Zeitpunkt sowie der damit verbundenen regulatorischen Netzwerke und ermöglicht so Rückschlüsse auf die molekularen Grundlagen der Zellaktivität.
Ein Forschungsteam der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) hat jetzt eine zuvor von ihm entwickelte Einzelzell-RNA-Sequenzierungstechnik, die bei Bakterien zum Einsatz kommt, weiter verbessert. Damit läuft die Arbeit im Labor noch schneller ab als bisher und liefert sehr viel genauere Informationen. In der Zeitschrift mBio stellt das Team seine Entwicklung vor.
Hoher Durchsatz dank Automatisierung
Leiter der jetzt veröffentlichten Studie ist Jörg Vogel. Vogel leitet das Institut für Molekulare Infektionsbiologie (IMIB) der JMU und ist zudem Direktor des Helmholtz-Instituts für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI). Er zählt zu den weltweit führenden Experten auf dem Gebiet der RNA-Forschung.
„Durch die Integration eines benutzerfreundlichen und hochflexiblen Automatisierungsprozesses haben wir einen höheren Zelldurchsatz erreicht“, beschreibt Vogel einen Vorteil des jetzt vorgestellten Verfahrens. Zusätzlich arbeite die Technik robuster, was die Ausfallrate beim Ablesen der genetischen Information reduziert, und liefere mehr Informationen über die Genexpression einzelner Zellen bei geringeren Sequenzierungskosten.
Durchschnittswerte verbergen wichtige Details
Bis vor wenigen Jahren noch haben Untersuchungen des Transkriptoms – also der Gesamtheit aller Gene, die zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer Zelle aktiv sind – in Bakterien auf die Massen-RNA-Sequenzierung (RNA-seq) gesetzt. „Dieser Ansatz liefert allerdings nur Durchschnittswerte einer Zellpopulation und lässt daher keine Rückschlüsse auf mögliche Unterschiede zwischen einzelnen Bakterien innerhalb dieser Population zu“, erklärt Vogel.
Solche Unterschiede – die Wissenschaft spricht in diesem Fall von einer „phänotypischen Heterogenität“, seien jedoch häufig bei Bakterien zu finden. Sie ermöglichen es ihnen, sich schnell an sich verändernde Umgebungen anzupassen, und übernehmen deshalb eine wichtige Rolle in der bakteriellen Überlebensstrategie.
Bakterien stellen die Technik vor besondere Herausforderungen
Während 2009 die Einzelzell-RNA-Sequenzierung bei Eukaryoten – Zellen, die einen Zellkern besitzen – eingeführt wurde, lief die Entwicklung dieser Technik für Bakterien deutlich langsamer. Verantwortlich dafür sind eine Reihe von Herausforderungen: „Prokaryotische Zellen sind im Vergleich zu Eukaryonten viel kleiner, was bedeutet, dass man sehr viel weniger Untersuchungsmaterial pro Zelle hat“, erklärt Vogel. Weitere Probleme bereite das Aufbrechen der Zellwand – die sogenannte Zelllyse – und das Erfassen spezieller bakterieller Transkripte.
Zwar ist auch die bakterielle Einzelzelltranskriptomik dank technischer Fortschritte seit kurzem Realität. Dennoch besteht Verbesserungsbedarf, beispielsweise weil die Häufigkeit von Zellverlusten zu hoch ist oder kurze Transkripte, wie beispielsweise regulatorische kleine RNAs (sRNAs), nur unzureichend erfasst oder überhaupt nicht messbar sind. „Darüber hinaus ist die Erkennung von Transkripten derzeit auf rund 200 Gene pro Zelle beschränkt ist, was weit unter dem durchschnittlichen bakteriellen Transkriptom liegt“, erklärt Vogel.
Erfolgreiche Validierung an Salmonellen
Einige dieser Probleme können die jetzt vorgestellten Verbesserungen der scRNA-Sequenzierungtechnik lösen, wie das Forschungsteam durch Untersuchungen an Bakterien vom Typ Salmonella unter verschiedenen Wachstumsbedingungen zeigen konnte. Die dabei gewonnen Daten zeigen, dass die implementierten Änderungen den Zelldurchsatz und die Robustheit des Protokolls erhöht und gleichzeitig den Zellverlust verringert haben.
Darüber hinaus konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Genabdeckung und die Gen-Nachweisgrenzen verbessern. „Wir waren sogar in der Lage, sRNAs auf Einzelzellebene nachzuweisen, was zuvor nicht möglich gewesen war“, sagt Vogel. Dies werde die Erforschung der regulatorischen Funktionen von sRNA auf Einzelzellebene in zukünftigen Studien ermöglichen.
Darüber hinaus bestätigen die Daten die Heterogenität innerhalb ein- und derselben Zellpopulation, die aus den Durchschnittswerten früherer Sequenzierungstechniken nicht abzulesen war. Sie liefern jetzt Informationen beispielsweise über die Aktivität von Genen, die von besonderer Bedeutung sind für die krankheitsverursachenden Eigenschaften dieser Bakterien.
Damit eigne sich diese Methode besonders gut für Experimente, bei denen das Ausgangsmaterial begrenzt ist, beispielsweise für die Analyse kleiner Subpopulationen von Bakterienzellen in Wirtsnischen oder von intrazellulären Bakterien.
OriginalpubliKation
Homberger C, Hayward RJ, Barquist L, Vogel J (2023)
Improved bacterial single-cell RNA-seq through automated MATQ-seq and Cas9-based removal of rRNA reads
mBio, DOI 10.1128/mbio.03557-22
Text: JMU-Pressestelle
Bild: Salmonella auf Zelle. © HZI / Manfred Rohde